Die im Rahmen der Beweidungskonzepte erarbeiteten Maßnahmen zur Flächenaufwertung setzen wir schrittweise in unserem Projekt um. Es handelt sich dabei vorwiegend um Maßnahmen, die eine naturschutzfachlich erwünschte Entwicklung verbrachter Pflegeflächen anstoßen. Für alle Maßnahmenflächen muss die anschließende Schafbeweidung sichergestellt sein, damit diese langfristig gepflegt und offen gehalten werden. Die Maßnahmenplanung erfolgt durch den Geo-Naturpark Frau-Holle-Land und die Landschafts- und Vegetationsökologie der Universität Kassel in Abstimmung mit den Schäfereibetrieben, der Unteren Naturschutzbehörde, den Flächeneigentümern und ggf. auch den Jagdpächtern. Umgesetzt werden die Maßnahmen durch den Geo-Naturpark.
Was bringen die Maßnahmen dem Naturschutz?
Durch die Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen können stark mit Gehölzen zugewachsene Flächen wieder in einen offeneren und beweidbaren Zustand gebracht werden, von dem licht- und wärmeliebende Arten, die heutzutage oft stark bedroht sind, profitieren. Bei der Maßnahmenumsetzung achten wir jedoch darauf, eine ausreichende Strukturvielfalt zu bewahren, auf die z.B. viele Vogelarten oder auch Heuschrecken angewiesen sind. Daher werden Heckenstrukturen, einzelne Gebüsche oder alte Streuobstbäume, aber auch Totholz gezielt auf den Flächen belassen. Als Maßnahmeflächen werden neben den besonders schützenswerten Lebensräumen wie Magerrasen und Wacholderheiden, auch wertvolle Bereiche außerhalb der Schutzgebiete wie magere Wiesen, Weiden, Streuobstbestände und Wegränder bedacht. Eine Überprüfung der Wirksamkeit der im Projekt umgesetzten Maßnahmen findet im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitforschung und Evaluation statt.
Wie helfen die Maßnahmen den Schäfereien?
Ein wichtiges Projektziel besteht darin, verbrachte Flächen für die Schäferei zugänglich zu machen und so wiederherzustellen, dass eine Förderung der Beweidung über Agrarförderungs- oder Naturschutzmittel langfristig sichergestellt werden kann. Um eine Beweidung auf besonders strukturreichen Flächen zu vereinfachen, stellen wir gezielt Zauntrassen frei oder schaffen Zugänge zu Flächen bzw. Verbindungen zwischen ihnen. Bei den Pflegearbeiten werden alte Stacheldrahtzäune, an denen sich die Schafe verletzen können, und Schrott, den man leider auf vielen der wiederhergestellten Flächen findet, gleich mit entsorgt.
Weitere Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität im Hotspot 17
Neben den genannten Maßnahmen zur Verbesserung der Beweidbarkeit der Flächen stellt auch die Aufwertung vorhandener Triebwegstrukturen und das Wiederherstellen von historisch belegten Triebwegabschnitten eine gute Möglichkeit dar, die Landschaft strukturreicher zu gestalten, und ermöglicht gleichzeitig den Schäfereien mit ihren Herden sicher von Fläche zu Fläche zu ziehen. Auf beweideten, oft aber überalterten Streuobstwiesen, pflanzen wir Hochstammobstbäume nach und führen Entlastung- oder Erhaltungsschnitte an Altbäumen durch, um diese wertvollen Biotope langfristig zu erhalten. Darüber hinaus wollen wir im Zuge des Projekts Teiche mit Biotopfunktion für Amphibien und andere Wasserlebewesen anlegen.
Stand der Arbeiten
Die Planung und Umsetzung dieser Maßnahmen sind in vollem Gange. Seit Projektbeginn (Oktober 2019) wurden 211 biotoplenkende Initial- und Entwicklungsmaßahmen auf einer Gesamtfläche von 36 ha umgesetzt. Die als Zielwert im Projektantrag formulierten 25 ha sind bereits erreicht. Im Jahr 2025 soll der Fokus verstärkt auf die Nachpflege und weniger auf neue Initialmaßnahmen gelegt werden, damit möglichst viele entbuschte Flächen bis Projektende in einem guten, beweidbaren Zustand sind.
Unter den erfassten Potenzialflächen befinden sich viele weitere mehr oder weniger stark verbrachte und abgängige Streuobstwiesen. Jungbäume werden im Projekt jedoch nur dort gepflanzt, wo die Eigentümer der Flächen die weitere Grundpflege der Bäume gewährleisten, d. h. das Wässern im ersten Sommer, die regelmäßige Kontrolle des Baumschutzes und unbedingt erforderliche Erziehungsschnitte innerhalb der ersten 10 bis 15 Jahre. Dazu wurde über das Projekt in 2022 und erneut in 2023 Baumschnitt- und Veredelungskurse organisiert, an denen Flächeneigentümer:innen, Schäfereien, Projektmitarbeitende und sonstige Interessierte teilnehmen konnten. Das Projekt ist darüber hinaus bemüht, alte Obstwiesen im Raum Witzenhausen in die Bewirtschaftung von solidarischen Landwirtschaften zu übergeben und vermittelt Kontakte zwischen Eigentümern und potenziellen Nutzern.
Im Dezember 2023/Januar 2024 und April 2024 wurden auf sechs schafbeweideten, überalterten Streuobstwiesen insgesamt 80 Obst-Hochstämme nachgepflanzt, darunter Apfel, Birne, Kirsche, Pflaumenartige, Quitte, Esskastanie und Walnuss. Bei allen neu gepflanzten Bäumen wurde ein Pflanzschnitt durchgeführt. Bei den in den letzten Jahren gepflanzten Bäumen fand, falls nötig, ein Erziehungsschnitt statt. Im Sommer 2024 wurden alle mit Projektmitteln gepflanzten Bäume kontrolliert. Ein Großteil der Bäume ist inzwischen gut angewachsen und vital. Die verhältnismäßig wenigen abgestorbenen Jungbäume werden im Herbst durch neue Bäume ersetzt.
Des Weiteren wurden auf einer Weidefläche in einer Bachaue zwei jeweils ca. 100 m² große Teiche mit einer Wassertiefe von ca. 1 m und Flachwasserzonen im Randbereich geplant. Der Standort an dem die Teiche angelegt werden, ist durch die Lage in der Aue und eine vermutlich beschädigte Drainage sehr feucht und kann derzeit kaum noch als Weide genutzt werden (s. Abbildung 5). Zielsetzung dieser biotoplenkenden Initialmaßnahme ist eine naturschutzfachliche Aufwertung der Grünlandfläche durch Schaffung zweier Stillgewässerlebensräume. Neben Amphibien wie z. B. Erdkröte, Grasfrosch, Berg- und Teichmolch werden auch Artengruppen wie Libellen, Eintags- und Köcherfliegen der Stillgewässer, Schwimmkäfer, Wasserwanzen und Wasserläufer gefördert. Die sukzessive Etablierung von Röhrichten wird die Strukturvielfalt weiter erhöhen. Der Teichbau wird derzeit in Auftrag gegeben und soll noch bis Ende Oktober 2024 umgesetzt werden.
Vom Erhalt wertgebender Lebensräume profitieren auch die einzelnen Arten
Alle Maßnahmen sind gezielt auf die Förderung wertgebender Lebensräume einer nachhaltig bewirtschafteten Kulturlandschaft ausgelegt und somit auch als Grundlage für die Sicherung einer hohen Biodiversität und zahlreicher wertgebender Arten zu sehen. Die Maßnahmen führen nicht nur zu einer höheren Strukturvielfalt und damit zu einer qualitativen Verbesserung der Lebensräume, sondern auch zu einer Vergrößerung der Arthabitate auf den Flächen. Von den Maßnahmen profitieren u. a. Insekten, die in ihren Lebensraum- und Nahrungsansprüchen oft stark spezialisiert und deswegen auf die Erhaltung dieser selten gewordenen Kulturlandschaftsbiotope angewiesen sind. Besonders wertgebende Arten, wie z. B. verschiedene Orchideen oder stark gefährdete Insektenarten, können zudem durch angepasste Maßnahmen wie einer frühen oder späten Beweidung gefördert werden. Beispiele aus der Projektregion sind der Quendel-Ameisenbläuling (Maculinea arion), das Esparsetten-Widderchen (Zygaena carniolica) und der Skabiosen-Scheckenfalter (Euphydryas aurinia).
Stand: Dezember 2024